Sprich, damit ich dich sehe

Bildlos Kunst schauen. Blind Bilder finden. Den Klang nach seinem Ursprung fragen. Blind fotografieren und Performances mit ungewohnter Wirkung: All dies schafft der Kunstkritiker, Essayist, Künstler und Fotograf aus Berlin, Gerald Pirner. Über seine Performance „Sprich, damit ich dich sehe“ schreibt er Folgendes: „Wahrnehmen ist niemals die Handlung einer einzelnen Person. Wahrnehmen ist ein kollektiver Prozess. Nach einem ursprünglich Platon zugeschriebenen Wort: Sprich, damit ich dich sehe, beschäftigt sich die Performance mit dem Dialog zwischen einem Blinden, der einen Raum wahrnimmt, und einer Sehenden, die all dies beschreibt. In der Technik des Lightpainting wird der Blinde die Beschreibende zum Modell einer Fotografie machen. Er wird sie langsam aus dem Dunkel heraus in das Licht führen. Das Publikum wird nun selbst beobachten was dabei geschieht und das Beschreiben übernehmen“. Die Performance findet gemeinsam mit der Regisseurin und Theaterpädagogin Nadia Schwienbacher, die seinen Text über Karl Plattners Pietà, hörbar in der derzeit laufenden Ausstellung „Benny, Sven und die Künstlermenschen“ sprach, am Sonntag, den 27. August um 17 Uhr am Bunker 23 in Tartsch statt.

Nach dem Studium der Theaterwissenschaften und Philosophie und seiner 1989 eintretenden Erblindung begann er mit einer Lehre als Mediendokumentar und Lektor, schrieb ab 2006 für kultura-extra und gründete 2014 die Webseite „Gerald Pirner Texte zu Kunst“, wo er Essays über Kunst, Theater, Musik und Filme aus der Perspektive des Blinden veröffentlicht. Seit 2015 begann er mit der Fotografie und arbeitet seit 2017 vor allem mit der Technik des Lightpainting.
- Katharina Hohenstein

bunker23 othmar prenner 
danke  

IVO BARTH  +
BASIS  +
TOURISMUS OBERVINSCHGAU


Benny ist tot. Der dumpfe Schlag nimmt den Atem. Die Farbe weicht aus den Dingen. Stillstand. Erschöpfung. Leere. Benny war ein Träumer, in einer Gesellschaft, in der dies als Schimpfwort gilt: „Du Träumer! - Du träumst doch! - Träum weiter!“ In harter und ausdauernder Arbeit verwandelte er seinen Bunker, der einst zu Mussolinis kriegerischer „Linea non mi fido“ gehörte, in einen Ort der Gastfreundschaft, der Kreativität, des poetischen Spiels. Den betonblanken Schädel dieses vormals düsteren Zerrbilds militärischer Männer-Phantasien umfasste er mit einer hölzernen Zaun-Krone und verlieh ihm so tänzerische Leichtigkeit: Ihre Form folgt der Soundwave von John Lennons musikalischer Liebeserklärung an das Leben: „Give Peace a Chance“.
Überhaupt die Musik. Vielleicht war sie seine wirkliche Heimat. Ich besuchte Benny immer wieder gern mit meinen Matura-Klassen. Meine Schüler/innen sollten einen Eindruck davon gewinnen, welch unterschiedliche Lebensentwürfe es gibt, welche Freiheiten das Leben eröffnet, wenn man bereit ist, auch den Preis dafür zu bezahlen, den eigenen, vielleicht riskanteren Weg abseits ausgetretener Pfade gehen zu können. 
Benny war ein wunderbarer Gastgeber. Die Schüler/innen spürten seine Liebe für die Menschen und die reichte bis ins kleinste mit unerschöpflicher Gestaltungsfreude konzipierte Detail seines Bunkers Susa 23. 
Ein zufriedenes Lächeln blitzte in seinem Gesicht auf, wenn er, der DJ aus unseren Jugendjahren sah, wie die Schüler/innen es genossen, dass die wummernden Bässe den Bunker zu einer großen Sound-Machine machten. 
Bennys Bunker war eine Plattform für alles Denkbare, eine Startrampe für Außer-Ordentliches, seine schiere Existenz wirkte heilsam und bestärkend in einer Landschaft ringsum, der - Betonsäule nach Betonsäule - alle guten Geister ausgetrieben werden. 
Jetzt … lastet bleierne Traurigkeit auf dem verwaist zurückgelassenen Gemäuer. „Wer ein Leben rettet, rettet eine ganze Welt“, weiß ein jüdisches Sprichwort. Gleichwohl gilt, das müssen wir jetzt erneut erfahren: Geht ein Leben verloren, geht eine ganze Welt verloren. Klanglos verhallen unsere Fragen: Wie konnte das passieren? Warum ist es passiert? Was hätten wir tun können, um es zu verhindern?(…)
Was können wir jetzt tun, künftig tun, um „es“ zu verhindern?
Wir müssen wieder in Bewegung kommen. Einen Fuß vor den andern setzen. Schritt für Schritt, aufeinander zu. Wir müssen lernen, unverstellt miteinander zu reden. Wahrhaftig sein, versuchen, in jedem Augenblick ganz da zu sein. Uns in unserer Gesamtheit mitteilen. Uns ohne Furcht auch unseren Schmerz zeigen. Keine Angst haben, um Hilfe zu bitten, wenn wir Hilfe brauchen. Keine Scheu haben, Hilfe anzubieten. Uns aneinander wärmen. Weiter träumen. 
Träum weiter, Benny!


Thomas Strobl Vinschger Publiziert in 37 / 2019 - Erschienen am 29. Oktober 2019

Sven,
Marion hat mich gestern angerufen und mich gebeten einige
Gedanken über dich und über uns zu schreiben, sie ist der
Ansicht, dass ein Freund dafür am besten geeignet ist. Ich
wurde mit dieser Bitte überrascht. Es fällt mir nicht
leicht. Ich habe nicht viel geschlafen die letzten Nächte.
Ich versuche es – viele Erinnerungen kommen hoch, viele
Bilder. Die Zeit, der Umgang mit der Zeit mit deiner Lebenszeit,
190 bis 270 Beats per Minute diesen Takt hast du dir
vorgegeben. 24 Stunden hat ein Tag, diese 24 Stunden können rasend
schnell vergehen, jedoch auch unendlich lang erscheinen,
wenn man 24 Stunden mit einer Kuh in seinem Zimmer
verbringt. Auf einem Kirchturm sitzt und jede Stunde die
Glocke schlägt. In einem selbst gezimmerten Boot, das die
Form eines Sarges hat, um einen Turm rudert. 24 Stunden
lang einen Butterkübel dreht. Einen ganzen Tag und eine
ganze Nacht lang ein Maschinengewehr mit einer Feile
bearbeitet, so dass nur noch Späne übrig bleiben.
Diese unendlich vielen Zeichnungen, die alle Gegebenheiten
des menschlichen Daseins beinhalten. Wie ein Emmentaler
Käse durchlöcherte Skianzüge welche letztendlich auch die
Höhen und Tiefen des Lebens beschreiben.
Im Jahr 1975 versuchte der 33-jährige Bas Jan Ader mit einem kleinen Segelboot eine performative Atlantiküberquerung mit dem Titel
„In search of the miraculous“.
10 Monate nach seiner Abreise wurde das leere Boot vor der
Küste Irlands angetrieben. Jan Bas Aders Körper wurde nie
gefunden.Gabber der Kunst, auch du hast den Atlantik überquert,
jedoch wir konnten dich finden. Möge deine Reise auf der
Suche nach den Wundern nie enden. Wir werden dich und dein
Werk für immer in unseren Herzen behalten.
Othmar Prenner

Das 2014 verwirklichte Projekt von Othmar Prenner trifft mitten ins Herz des Bunkers 23.
Ein Wohnwagen ragt aus dem inneren Bunkers und wagt somit, jede Menge Fragen aufzuwerfen. Für Prenner ist die Verbindung zum Thema Frieden offensichtlich; hier werden Vergangenheit nicht verneint, sondern ihr begegnet. Angstfrei und dies mit einer unübersehbaren Wucht. Das Bewegliche des Campingwages, Sinnbild für Freiheit, Neugierde und Austausch, so Prenner, kombiniere sich bestens mit dem feststehenden Bunker als materielles Erbe wie auch mit dem Sinnbild des Bunkers für eine belastete Vergangenheit. „Frieden braucht Freiheit und die Chance, frech sein zu dürfen. Frieden lebt auch von Toleranz“. Heiter aufgebrochen wird auch die Sichtweise auf das Relikt des italienischen Faschismus und feiert mit seinem unverkennbaren Prenner'schem Stil die Tatsache, dass diese Zeit so nicht mehr wiederkommen muss. Während der Campingwagen heiter wie die Ferienzeit ein schweres Thema der Vergangenheit neu belebt, kann diese so neu betrachtet werden. Denn der Frieden und die Kunst sollten allen zugänglich sein. Der architektonische Aufbau des 360 Quadratmeter großen Plateaus auf dem Bunker 23 sollte ein Treffpunkt für kulturelle Veranstaltungen, Konzerte und Diskussionen dienen.
Denn 75 Jahre, nachdem dieser Bunker als Teil des Alpenwalls konzipiert und gebaut wurde und knappe 50 Jahre nach dem Komponieren eines Liedes, das als Botschaft für den Frieden um die Welt gehen sollte, ist die sichtbar gemachte Tonfolge von John Lennons‘ „Give Peace a Chance“ heute als Komposition in Föhrenholz schon von weitem als Brüstung der Plattform sichtbar. 
Katharina Hohenstein